Sammler-Express 1948, Heft 20, Seite 308

Engelhardt, H. H. Vitalität der Markensprache: AUF ANHIEB ACHT ENTWURFE, SAMMLER-EXPRESS 1948, Heft 20, Seite 308

Vitalität der Markensprache:

AUF ANHIEB ACHT ENTWÜRFE

Bereits in seinem allerersten Heft (1/1947) hat der „Sammler-Express" über einen Markenschöpfer, den Entwerfer des 24-Pfennigwertes der Bildserie, belichtet. Durch einen Artikel über den Künstler der Thüringen-Marken wurde in Nr. 11/1948 dieser Brauch wieder aufgenommen und durch Beiträge über den Gestalter der Postwertzeichen der französischen Zone (Heft 14) sowie über den Schöpfer der Messemarken In Nr. 16 fortgesetzt. Diesmal folgt ein Bericht über einen Graphiker, dessen Markenschöpfungen zur Zeit aktuellstes Interesse beanspruchen: Heinrich Ilgenfritz

Nun liegt nach den verschiedenen Provisorien auch aus der sowjetischen Besatzungszone die neue Dauerserie vor. Ihre Darstellungen lenken unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf ihren Schöpfer, den Kupferstecher Heinrich Ilgenfritz aus Berlin.

Damit taucht ein neuer Name in Philatelistenikreisen auf, der bisher bei den Liebhabern freier Graphik, inbesondere den Sammlern von Exlibris, schon lange einen guten Klaag besaß. Als Experte für Stich und Radierung wird er von Museen und Kunsthandlungen häufig zu Begutachtungen herangezogen.

Ein Gespräch mit Heinrich Ilgenfritz zeigt uns einen von seiner Kunst durchdrungenen Menschen. Nachdem er 1933 seine Lehrtätigkeit einstellen mußte, wurde er 1946 als Dozent an die Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee berufen. Im Jahre 1930 erhielt er von seiner Heimatstadt Nürnberg, in der er 1899 geboren wurde, den Dürerpreis,

Des Künstlers Werke sind international bekannt, wie auch seine freundschaftlichen Verbindungen zu Wiener Stechern, z. B Ranzoni, Woyty-Wimmer - also Mitarbeitern an der Philatelie - erwähnenswert sind. Seine Einstellung zur Briefmarke ist durch die künstlerische Darstellung bedingt. Seine Briefmarkertsammlung umfaßt ausschließlich Marken, die in Stichtiefdruck hergestellt wurden, doch der Pferdefreund in ihm schuf sich auch eine Motivpamrnlung von Marken mit Pferdeabbildungen.

Bedauerlich ist, daß seine jetzt geschaffenen Markenbilder leider keine Stiche sind. So wurden die Entwürfe für die 16 Pfennig - Werte in einer Pinselzeichnung für den wegen der Kürze der Vorbereitungsgeit zur Anwendung kommenden Buchdruck angelegt, während die Reinzeichnungen für die vier Markwerte mit der Feder ausgeführt wurden. Die Herstellung dieser Werte erfolgt im Offsetdruck.

Zur Beurteilung der neuen Marken ist es unbedingt notwendig, daß man hierbei nicht nur das Bild berücksichtigt; auch die Druckfarbe und nicht zuletzt das Papier beeinflussen entscheidend den Gesamteindruck. Aber auch bei der Wahl der Farben und des Papiers hat sich der Künstler eingeschaltet, damit die fertigen Marken in der bestmöglichen Ausführung vorliegen. Hierzu erläuterte er ergänzend:

,,Aus künstlerischer Verantwortung heraus gestalten zu können, setzt den Mut des Auftraggebers voraus, mir Freiheiten zu gewähren. Das ist bei amtlichen Stellen nicht so ohne weiteres gang und gäbe. Deshalb gilt mein besonderer Dank der Hauptverwaltung Post und Fernmeldewesen in der sowjetischen Besatzungszone, die mir in der Ausführung der Marken keine einengenden Bedingungen stellte. Es ist das Wesen der modernen Graphik, das Formale abzuleiten vom Werkstoff und der Handhabung des Werkzeuges, ganz gleich in welcher Handschrift — die werkgerechte Form ist jedenfalls Vorbedingung echter Kunst.“

So ist es nicht verwunderlich, daß Heinrich Ilgenfritz der Druckerei keinen großen Spielraum gab, sondern sie mit seinen Entwürfen vor vollendete Tatsachen stellte. Die fertigen Marken entsprechen somit auch seinen Entwürfen.

Die Markenbilder sind unter Verwendung aller verfügbaren Vorlagen zu neuen Bildnissen gestaltet. Diese gemalten Kompositionen wurden von dem Künstler ohne Skizzen und Vorentwürfe auf ersten Anhieb zu Papier gebracht. So ist es diesmal nicht möglich, etwaige Detailskizzen zur Erklärung abzubilden, da sich die Entwürfe mit den Markenbildern völlig gleichen. Mit zwei der dargestellten Persönlichkeiten, nämlich mit Käthe Kollwitz und Gerbart Hauptmann, war er übrigens bekannt. Zur besseren. Erklärung der Marken sollen noch folgende Worte des Künstlers dienen: ,,Ich würde mich freuen, wenn die vitale Zeichensprache dieser Wertzeichen von allen richtig verstanden würde, denn diese Vitalität ist die Voraussetzung für den Lebensmut, den wir täglich aufs neue brauchen.''

Beim Durchsehen der Kunstmappe des Kupferstechers Ilgenfritz fielen mir unzählige, in den verschiedensten Kunstrichtungen und Techniken gleich gut gelungene Stiche und Radierungen in die Hände, unter denen mir ein Kupferstich 'Goethe' besonders zusagte. Er wirkt durch seine schlichte und doch gelungene Linienführung besonders gut und lenkt meine Gedanken unwillkürlich auf das Goethejahr 1949. Eine Gedenkmarke in ähnlicher Ausführung würde sich von der bisher üblichen Darstellungsweise erfreulich abheben. H. H. Engelhardt

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